WEBPORTAL: MÄNNLICHKEITEN
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Zitieren sie diesen Text bitte folgendermaßen:

Trierweiler, Sandra:

Rollenverhalten. In: Webportal für die Geschichte der Männlichkeiten des Instituts für Geschichte der Universität Wien,

http://www.univie.ac.at/igl.geschichte/maennergeschichte/sozialisation/beziehungen_02.htm



Rollenverhalten ? !

In diesem Essay soll es um das Rollenverhalten von Männern und Frauen gehen.
Dass diese Rollen durch lange Prozesse entstanden und deshalb nicht einfach auszulöschen sind, ist klar. Viel interessanter ist jedoch die Frage, wann sie entstanden sind und warum.
Die Ansicht, dass Muttersein die Erfüllung einer Frau ist und zu ihrer Natur gehört, stammt nicht aus der Antike oder dem Mittelalter, sondern aus der Aufklärung und die ist gar nicht so lange her.
In dieser Zeit wird die frühneuzeitliche Rollenverteilung ad acta gelegt und man schafft einen neuen Raum der Privatheit für die Frau, in dem sie ganz in ihrer Rolle als Mutter und Ehefrau aufgehen kann. Der Ehemann wird somit zum Sinn ihres Lebens, ja vielleicht sogar zu ihrer einzigen Daseinsberechtigung neben der Mutterschaft. Dies gilt jedoch nicht im umgekehrten Fall.
Der Mann als kulturschaffendes Geschöpf wandelt die Natur nach seinen Vorstellungen in Kultur um. Deshalb ist er auch immerwährender Erzieher und Herr seiner Frau, die ein Geschöpf der Natur ist. Er verdrängt sie aus dem öffentlich-politischen Leben und steigt so in der Hierarchie weit über sie hinaus.
Die Militarisierung macht den Mann dann endgültig zu dem, was wir heute als männlich bezeichnen: durchtrainiert, stark, unnachgiebig gegen den eigenen Körper, ein tapferer Soldat und autonomer Mann. (1)
Diese Rollenbilder von der Frau am Herd und dem Mann, der das Geld nach Hause bringt, sind also gar nicht so alt, wie wir immer glauben – gerade mal 200 Jahre. Doch als moderner, intelligenter Mensch sollte man meinen, dass man aus ihnen ausbrechen kann.
Die neue Generation von Männern und Frauen, von der alle sprechen, sollte frei sein von jeglichem Rollendenken: beide Geschlechter können ihre Karriere verfolgen, der Haushalt wird gemeinsam erledigt, Kinder von beiden Elternteilen erzogen und Frauen haben in jeder Hinsicht die gleichen Rechte wie Männer.


Diese Vorstellung mag schön sein, ist aber meiner Meinung nach in der Realität so nicht zu beobachten. Und zwar deshalb nicht, weil wir noch immer in unseren alten Rollen festsitzen und auch keine wirklichen Ambitionen zeigen, diese zu verlassen.
Wie sonst lässt es sich erklären, dass noch immer 95 % der Erziehungsarbeit Frauensache ist, trotz der vielen Angebote für Karenzurlaub für Männer in vielen Ländern Europas. (2)

Schon Kinder zeigen ein deutlich fixiertes Rollenverhalten und das liegt nicht immer zwangsläufig an der Erziehung oder an biologischen Gegebenheiten. Obwohl die Biologie in Hinsicht auf unser Verhalten als Mann und Frau nicht zu verachten ist.
Ob ein Embryo ein Junge oder ein Mädchen wird, liegt an männlichen und weiblichen Geschlechtshormonen. (männlich: Androgene wie Testosteron oder Androstendion; weiblich: Östrogene) Diese Hormone beeinflussen aber nicht nur unser Geschlecht, sondern auch unser Aussehen – dass Männer eine Glatze bekommen, liegt letztendlich an Testosteron. Und Hormonforscher konnten inzwischen beweisen, dass diese Hormone auch auf unser Verhalten wirken, z.B. wenn es um Sex geht.
Männer und Frauen handeln aus anderen Gefühlswelten heraus. Ein Mann steht einem One-Night-Stand grundsätzlich nicht abgeneigt gegenüber, wohingegen es Frauen meistens bei der Phantasievorstellung belassen. (3)
Dies liegt jedoch nicht allein an der Doppelmoral in unserer Gesellschaft, die Frauen, die ihre Sexualität frei ausleben, brandmarkt, denn der Evolutionsforscher David Buss hat die Übereinstimmung in dieser Frage bei über zehntausend Personen in 37 verschiedenen Kulturen festgestellt. (4)
Viel mehr liegt es an den Hormonen, die uns zu einer gewissen Verhaltensweise zwingen. Testosteron ist das Hormon, das uns aktiv nach Sex suchen lässt. Auch Frauen produzieren dieses Hormon, aber Männer tun dies in zwanzig Mal höherem Ausmaß. Hingegen erzeugen Östrogene, die vorherrschenden Sexualhormone bei Frauen, ein stärkeres Verlangen nach einer Bindung. Also ist die Rollenverteilung, zumindest wenn es um Sex geht – nämlich, dass Frauen Bindungen und Männer Sex anstreben – nicht vernunftgesteuert oder von der Gesellschaft vorgeschrieben, sondern unser biologisches Erbe. Diese Regelung hatte früher durchaus ihren Sinn, wenn man bedenkt, dass es in der Evolution vor allem darum geht, viele Nachkommen zu zeugen. Männer können mit mehreren Frauen Kinder haben, ja, es ist vom evolutionären Standpunkt her betrachtet sogar erwünscht, weil sie so ihr Erbgut sehr weit streuen können. Frauen jedoch brauchen für ihren Nachwuchs nur einen Mann. Der jedoch muss dann auch in der Lage sein, die Familie zu versorgen. Dass es auch Frauen, gibt, die ihre Sexualität ausleben, und es eben nicht bei der Phantasie belassen, liegt daran, dass diese Frauen dann auch meistens einen höheren Testosteronspiegel haben, als die durchschnittliche Frau. (5)

Aber es gibt noch andere Dinge, die unsere Entwicklung beeinflussen. Die amerikanische Psychologin Judith Harris stellte die Theorie auf, dass die Gleichaltrigen einen größeren Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung ausüben, als die Eltern. (6)
Die hundertprozentige Richtigkeit dieser These mag dahingestellt sein, doch wir alle konnten schon beobachten oder selbst erleben, wie Druck von Freund(inn)en und Konkurrent(inn)en auf das einzelne Individuum ausgeübt wird. Diese Art der Sozialisation hat nicht nur einen gegenwärtigen, sondern auch einen zukünftigen Einfluss auf die Persönlichkeit, denn wer schon in der Schule ein Außenseiter war, wird Zeit seines Lebens mit Hemmungen kämpfen müssen. (7)
Dies spielt natürlich auch eine Rolle, wenn es um geschlechtstypisches Verhalten geht. Die für die Jugend so typischen Mädchen- und Jungencliquen bringen quasi eine Selbsterziehung zur eigenen Geschlechtsrolle mit sich. So zeigen schon zwölfjährige Mädchen die Klischees weiblichen Verhaltens, tuscheln und kichern und verhalten sich in Gegenwart von Jungen besonders ungeschickt. Die Kinder orientieren sich an Idealbildern aus dem Kino und anderen Medien und legen diese auch als Bewertungsmaßstäbe an, sodass es praktisch kein Entrinnen gibt. (8)

So hat die ganze Umgebung Einfluss auf die Persönlichkeit eines Kindes und vor allem eines Jugendlichen.
In der Pubertät durchlaufen Menschen eine sensible Phase ihrer Entwicklung. Gute und schlechte Erlebnisse aus dieser Zeit werden später als Maßstab und Entscheidungshilfe verwendet. Im späteren Umgang mit dem anderen Geschlecht wird man daher immer auf vorher gemachte Erfahrungen oder Beobachtungen zurückgreifen. (9)

Wenn man erwachsen wird, versucht man, aus diesen Klischees auszubrechen. Doch es gibt eine Situation, bei der Mann und Frau immer auf sie zurückgreift – bei der Partnerwahl.
So sehr wir uns auch emanzipieren, Frauen werden sich in Gegenwart eines attraktiven Mannes immer hilfloser anstellen, als sie es eigentlich sind, und Männer werden immer versuchen, der Stärkste zu sein, wenn sie eine Frau beeindrucken möchten. Das vermeintlich Erstaunliche: diese Methoden haben meistens Erfolg.
Dies liegt teils an unserem Rollendenken, aber auch an Instinkten, die in solchen Situationen zum Vorschein kommen.
Deshalb finden Frauen starke Männer attraktiv und suchen sich einen genau solchen aus: weil nur er sie und ihre Kinder beschützen und versorgen kann. Und Männer suchen sich wahrscheinlich aus genau diesem Grund Frauen, die sie beschützen können. (10)
Dieser Gedanke wird auch in die Tat umgesetzt – ich habe jedenfalls noch nie gehört, dass die Frau nachts das Haus nach Einbrechern durchsucht und der Mann sich im Bett verkriecht.

Ich halte mich selbst für emanzipiert, ich muss mir aber auch selbst eingestehen, dass ich gewissen Klischees sehr wohl entspreche und meine Rolle genauso spiele wie alle anderen. Trotzdem bin ich auch der Meinung, dass Frauen nicht unbedingt gleich werden sollen wie Männer. Sie sollen die gleichen Rechte haben, die gleiche Bezahlung bekommen, selbst Entscheidungen treffen. Aber wir sollten nicht versuchen, alle Unterschiede, die zwischen den Geschlechtern bestehen auszuradieren. Das Einzige, das verändert werden muss, ist unsere Einstellung zu ihnen.
Niemand muss sich wegen seines Geschlechts diskriminieren lassen, und damit meine ich beide Geschlechter. Ich bin zwar kein Mann, aber ich denke, dass es in der heutigen Zeit nicht leicht ist, sich als Mann zu behaupten. Der Mann hat es meiner Meinung nach immer schwerer, weil viele Dinge, die früher das männliche Bewusstsein stärken konnten, heute als verpönt und frauenfeindlich gelten. Das bedeutet, dass sich Männer andere Betätigungsfelder suchen müssen, die sie dann als Mann bestätigen, sie müssen andere Mittel und Wege finden, um ihre Männlichkeit auszudrücken.

Durch die Beschäftigung mit diesem Thema ist mir vieles klar geworden. Zum Beispiel, dass man nicht krampfhaft immer darauf achten sollte, ob irgendjemand irgendetwas gesagt hat, dass man vielleicht als frauenfeindlich auslegen könnte. Und ich versuche auch nicht mehr, irgendwelche Männer mit sexistischer Einstellung davon zu überzeugen, dass wir Frauen auch zu allem fähig sind, was sie können, wenn wir nur wollen. Ich lache heute über diese Menschen und lebe dann mein Leben weiter. Ich tue dies so, wie ich es für richtig halte und es mit mir selbst vereinbaren kann. Sollte ich dabei genau nach den Klischees leben, die Feministinnen anprangern, kann ich das auch nicht ändern. Ich mag die Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Es sind nämlich genau diese Unterschiede im Verhalten und Handeln von Männern und Frauen, die das andere Geschlecht für uns doch erst interessant machen.

Anmerkungen:

(1) Wolfgang Schmale: Männergeschichte als Kulturgeschichte; Erschienen in: „Geschlecht und Kultur“. Beiträge zur Historischen Sozialkunde, Sondernummer 2000, Wien 2000, S. 30-35

(2) ebd.

(3) EGONET.de, Ausgabe 12/2000, „Typisch Frau – Typisch Mann“, Teil 11: Sex oder Liebe. Warum Männer trennen, was für Frauen zusammengehört
EGONET.de, Ausgabe 01/2000, „“Typisch Frau – Typisch Mann“, Teil 2: Am Anfang war die Frau. Biologisches, Psychisches und Soziales in den Geschlechterrollen;

(4) ebd.

(5) EGONET.de, Ausgabe 01/2000, „“Typisch Frau – Typisch Mann“, Teil 2: Am Anfang war die Frau. Biologisches, Psychisches und Soziales in den Geschlechterrollen;
EGONET.de, Ausgabe 12/2000, „Typisch Frau – Typisch Mann“, Teil 11: Sex oder Liebe. Warum Männer trennen, was für Frauen zusammengehört

(6) EGONET.de, Ausgabe 10/2000, „Typisch Frau – Typisch Mann“, Teil 9: Heulsusen und Prügelknaben. Wie wir als Kinder gelernt haben, was eine Frau und was einen Mann ausmacht

(7) ebd.

(8) ebd.

(9) EGONET.de, Ausgabe Oktober 2001/4. Jahrgang, „Typisch Frau – Typisch Mann“, Teil 19: Pubertät. Wenn aus Kindern Frauen und Männer werden

(10) EGONET.de, Ausgabe 12/200, „Typisch Frau – Typisch Mann“, Teil 11: Sex oder Liebe. Warum Männer trennen, was für Frauen zusammengehört