WEBPORTAL: MÄNNLICHKEITEN
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Zitieren sie diesen Text bitte folgendermaßen:

Tyszkiewicz, Adriana:

Männlichkeit und Weiblichkeit. In: Webportal für die Geschichte der Männlichkeiten des Instituts für Geschichte der Universität Wien,

http://www.univie.ac.at/igl.geschichte/maennergeschichte/sozialisation/erziehung_01.htm



Männlichkeit und Weiblichkeit

 

Unterwerfung der Weiblichkeit am Beispiel der Ausführungen von Francois Poulain de la Barre und John Stuart Mill.


Das Geschlecht ist unter vielen anderen wohl das Merkmal, dass das individuelle Lebensschicksal eines Menschen am nachhältigsten bestimmt. Die Unterscheidung zwischen männlich und weiblich kann als fundamentale, ja geradezu ursprüngliche Unterscheidung überhaupt gelten. Grund genug, dass durch Jahrtausende hindurch die Unterschiede zwischen Frau und Mann immer eine Quelle von Geheimnis und Faszination waren.

Geschichte und Literatur zeigen uns zahlreiche Meinungen und Ansichten über das “Wesen” der beiden Geschlechter, die vor allem von Überlieferungen und Mythen herrühren.
Eine zentrale Bedeutung in der Geschichte der Erforschung von Geschlechtsunterschiede hatte der Begriff der Natur.
Die biologische Unterschiede, also einerseits die Gebärfähigkeit der Frau und anderseits das größere physische Kraftpotential des Mannes, dienten über Jahrhunderte lang und fast überall auf der Welt als Ursache für die Entstehung unterschiedlicher sozialer Rollen fuhr Frauen und Männer.

Schon die Philosophen früherer Zeiten starteten die beiden Geschlechter mit einem Spektrum unterschiedliche Eingeschäften aus. Sie hielten die Frauen für emotionsgeleitet und reduzierten sie auf “Nur Natur”, während der Mann als rationales und intellektuelles Geschöpft galt.

Fest steht, Männer und Frauen sind verschieden. Wir alle wissen, dass Frauen und Männer tatsächlich anders denken, reden, fühlen, wahrnehmen und unterschiedliche Bedürfnisse haben. Diese Unterschiede spielen sich jedoch immer innerhalb gewisser Rahmen ab. Die Frage, die sich hierbei stellt, lautet: Wer hat diese Rahmen um unsere Handlung gezogen? Die Natur oder die Gesellschaft? Haben also beispielweise Männer auf Grund ihres biologischen Geschlechts die durchschnittliche höhere Aggressionsbereitschaft als Frauen oder ist diese nur erziehungsbedingt? Sind Frauen von Natur aus emotionaler als Männer oder ist diese Eigenschaft nur eine Folge gesellschaftlicher Prägung.

Im folgendem Essay handelt sich um einige wenige mutige Philosophen und Theologen, die in einer Zeit in der das Kräfteverhältnis der Geschlechter seine Rechtfertigung nur daraus zog, dass es althergebracht war, sich weigerten, dieses als eine Folge der natürlichen Ordnung der Dinge oder als göttliche Vorsehung zu sehen( vgl.Groult 1995) Sie prangerten männliche Privilegien und den männlichen Missbrauch der Macht an, forderten die Gleichberechtigung und führten die angebliche Minderwertigkeit der Frauen af eine reine, so wie man heute sagen wurde, soziokulturelle Konditionierung zurück.
In Anbetracht dieser Dinge verwundert es nicht, dass die Verlaufe des Gleichheitsprinzip verspottet oder verkannt wurden und nur allzu oft in Vergessenheit gerieten.

1673 veröffentlichte Francois Poulain de la Barre eine Schrift mit dem Titel “ Über die Gleichheit beider Geschlechter; Eine Moralische und physikalische Abhandlung über die Bedeutsamkeit, sich von Vorurteilen freizumachen”. Poulain de La Barre versucht, wie der Titel schon sagt, zu beweisen, “dass eine Ansicht, die so alt ist wie die Welt, so verbreitet wie die ganze Erde und ebenso universell wie die gesamte Menschheit, nur ein Vorurteil oder ein Irrtum sein kann”.( zitiert nach Groult 1995, S 15) Der Hauptpunkt seiner Kritik sind die Vorurteile von denen sich nicht nur das gemeine Volk, sondern auch fast alle Gelehrten freimachen müssen.
Als getreuer Schuler Descartes bedient sich Poulain der Methode des systematischen Zweifelns und versucht auf diese Weise Vorurteilen gegenüber der Minderwertigkeit der Frau auf den Grund zu gehen.

“ Ihre stärksten Thesen[…], lassen sich zurückfuhren auf die Aussage, dass hinsichtlich der Frauen die Dinge immer so gewesen seien, wie sie sind, und das dies ein Zeichen sei, dass sie immer so bleiben mussten. Aber die Menschen sind von unendlich vielen Dingen Überzeugt, für die sie keinen Grund angeben konnten…und sie waren ebenso heftig vom Gegenteil Überzeugt gewesen, wenn sie die Sinneseindrucke oder der herkömmliche Brauch sie dazu veranlasst hatten.” (zitiert nach Groult 1995, S.18)

Nach dem Versuch die Menschheit davon zu Überzeugen, dass eine allgemeine Verbreitung einer Ansicht noch lange kein Grund für ihre Stichhaltigkeit sein muss, geht Poulain weiter und vergleicht sehr nüchtern die Lage der Frauen in den verschiedensten Ländern.

“In China schnurrt man ihnen von der Kindheit an die Füße ein, damit sie Nichthaus dem Haus gehen können, in dem sie fast niemals jemand anderen sehen als ihren Mann und ihre Kinder. In der Türkei sind die Frauen fast ebenso eingeschränkt. Kaum besser ist es in Italien. Nahezu alle Volker in Asien, Afrika oder Amerika benützen ihre Frauen so wie hierzulande die Dienstboten. Überall beschäftigt man sie nur mit Dingen, die als niedrig erachtet werden. Und weil nur sie sich mit kleinen Besorgungen des Haushalts und mit den Kinder beschäftigen, ist man allgemein davon Überzeugt, dass sie nur deshalb auf der Welt und unfähig für das ganze Übriege seien. Alle Gesetze scheinen nur dafür gemacht, de Männer den Besitzstand zu wahren, den sie haben. Und fast alle, die als Gelehrte galten und sich über Frauen äußerten, haben nichts zu ihren Vorteil gesagt
…Geboren und aufgewachsen in Abhängigkeit, betrachten sie diese auf dieselbe Art wie Männer…Nur durch das Gesetz des Stärkeren sind sie unterworfen worden. Es scheint, als wäre jeder in seiner eigenen Zeit sieht, nämlich dass immer die Gewalt den Sieg davongetragen hat…und wenn die Männer so mit ihresgleichen verfahren, gibt es starke Anzeichen dafür, dass jeder das mit noch größerem Grund mit seiner Frau getan hat.”
( zitiert nach Groult 1995, S. 18)

Auf erstaunlich moderne Art und Weise übt Poulain nicht nur Kritik am vorherrschenden Patriarchat, sondern erkannte zweifellos als erster Philosoph die große Bedeutung der Erziehung und Konditionierung. Er betont in seiner Schrift immer wieder, dass Zweitrangigkeit der Frau keinesfalls naturgegeben ist. Vielmehr macht er darauf aufmerksam, dass die Unwissenheit und Bequemlichkeit des weiblichen Geschlechts lediglich auf dessen mangelnde Erziehung zurückzuführen ist (vgl.Hierdeis 1992). Wie die Mädchenerziehung zu tausend unnutzen Tätigkeiten bewusst gesteuert wird, mit dem Ziel sie davon zu Überzeugen, dass sie wirklich dummer sind als ihremannlichen Geschlechtsgenossen, analysiert er sehr scharf im folgenden Abschnitt:
“Man vergisst nichts, was dem Zwecke dient, sie davon zu Überzeugen, dass dieser große Unterschied, den sie zwischen ihrem Geschlecht und dem unseren sehen, ein Werk der Vernunft und der göttlichen Einrichtung sei. Kleidung, Erziehung und Leibesübung könnten nicht unterschiedlicher sein. Ein Mädchen ist nur in Sicherheit unter den Fittichen ihrer Mutter oder unter den Augen einer Gouvernante, die sie nicht allein lasst. Vor allem und jedem jagt man ihr Angst ein…Auf den großen Strassen und selbst in den Gotteshäusern gibt es irgend etwas zu furchten, wenn sie nicht in Begleitung ist. Die große Sorgfalt, die man darauf verwendet, die Madchen herauszuputzen, lenkt ihren Geist darauf: All die Blicke, die man ihr zuwirft, und die vielen Reden über die Schönheit, die sie hort, fesseln ihre Gedanken an dieses Thema. Da man über nichts anderes mit ihnen redet, beschranken sie all ihre Gedanken darauf und wenden ihre Blicke nichts Höherem zu. Tanz, Schreiben, und Lesen sind die größten Übungen, die man ihnen beibringt, und ihre Bibliothek besteht nur aus ein paar Andachtsbuchern. Ihr ganzes Wissen beschrankt sich auf die Arbeit mit der Nadel. Und was die Madchen aus dem Burgerstand angeht, die gezwungen sind, sich ihren Unterhalt durch Arbeit zu verdienen so nutzt es ihnen noch weniger, Geist zu besitzen. Wenn di einen wie die anderen das Heiratsalter erreicht haben; veranlasst man eine Eheschließung, oder aber man sperrt sie in ein Kloster ein, wo sie weiter leben, wie sie begonnen haben. Es scheint, dass man diese Art von Erziehung festgesetzt hat, um ihren Mut zu dampfen, um ihren Geist zu trüben und sie nur mit Eitelkeit und Dummheit zu erfüllen…( zitiert nach Groult 1995, S.20)

Nachdem Poulain de La Barre aufgezeigt hat, dass die Ursache, warum Frauen den Männer in Wissen, Beruf und künstlerischen Fähigkeiten unterlegen sind, einzig und allein an einem Mangel der Erziehung, aber keinesfalls an einem “Mangel der Gehirn”liegt, geht er einen Schritt weiter und beschäftigt sich mit der leiblichen Differenz der Geschlechter. Da im 17. Jahrhundert im Namen der Schamhaftigkeit und der guten Sitten der weibliche Körper und ganz besonders die weiblichen Organe weder in Anatomiehandbuchern existierten noch auf dem Lehrplan des Medizinstudiums standen ( vgl. Groult 1995) , wagte Poulain ein großes Tabu zu brechen, wenn er sagt:

“…. Aber die Männer, die bemerkten dass sie im Verhältnis der Geschlechter einige körperliche Vorteile hatten, bildeten sich ein, dass ihnen dieser Vorteil in jeder Hinsicht zustunde. Da die Beschwernisse und die Folgen der Schwangerschaft die Kräfte der Frauen wahrend dieser Zeiten verringern…hielt man sie für minderwertiger als die Männer…”(zitiert nach Groult 1995, S.23)

Nach diesen Ausführungen, die eine durchaus logische Begründung zur Entstehung der Unterwerfung des weiblichen Geschlechts beinhaltet, nimmt sich Poulain auch kein Blatt vor dem Mund, wenn es darum geht, den Totalitätsanspruch von Wissenschaft zu kritisieren.
In diesem Zusammenhang beschäftigt er sich mit den frauenfeindlichen Äußerungen von Platon, Aristoteles und Pythagoras, die für ihn zugleich die Urheber der Vorurteile über das weibliche Geschlecht waren. Der Anlass seiner Kritik sind aber weniger die Ausfalle der klassischen Autoren, sondern vielmehr die Tatsache mit welchem Rang diese zu einer universellen Wahrheit entstanden sind und noch im 17. Jahrhundert von, seine Begriffe, moderne Philosophen blindlings Übernommen und als Quelle der Erkenntnis zitiert wurden.

Was Polain de La Barre im 17. Jahrhundert für wünschenswert hielt forderte auch noch 2 Jahrhunderte später John Stuart Mill, was nicht anders als ein Beweis dafür ist, dass die geforderten Reformen für die Gleichberechtigung nicht verwirklicht worden waren und sich die Situation der Frauen in keinerlei Weise verändert hatte.
In seinem Essay über “Die Hörigkeit der Frauen betont der Kompromisslose Freidenker John Stuart Mill, dass die männliche Vorherrschaft kein göttliches Gebot sondern lediglich ein Machtmissbraucht ist“. ( vgl.Groult 1995)

“ Die Ungleichheit der Rechte zwischen Mann und Frau hat keine andere Quelle als das Faustrecht- das Recht des Stärkeren.”
(zitiert nach Groult 1995, S. 85)

So wie Poulain de La Barre wendet sich auch Mill gegen die sogenannten natürlichen Argumente, die im patriarchalischen Denken der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jahrhundert weit verbreitet waren.
Mill ist davon Überzeugt, dass nicht die Natur, sondern die Gesellschaft vorschreibt, welche Eigenschaften der weiblichen bzw. männlichen Identität entsprechen. Was aber die weibliche Geschlechtsidentität betrifft, so meint Mill, dass diese entscheidenden Einschränkungen in Erziehung und Gesellschaft ausgesetzt ist.

“ Zu diesem Zwecke ist alles angewandet worden, um den weiblichen Geist niederzuhalten…Jede Frau wird von frühester Jugend an erzogen in dem Glauben, das Ideal eines weiblichen Charakters sei eine solcher, welcher sich im geraden Gegensatz zu dem des Mannes befinde; kein eigener Wille, keine Herrschaft über sich durch Selbstbestimmung sondern Unterwerfung…Jede Sittenlehre predigt ihnen, die Pflicht der Frau sei, für andere zu leben, sich selbst vollständig aufzugeben und keine andere Existenz als in und durch ihre Liebe zu haben…dies sei der Zustand, welcher der eigentlichen Natur der Frau gemäss ist”

Die Unterschiedliche Verhaltensweisen von Mann und Frau sind nicht die Ursache, sondern Folge geschlechtsspezifischer Erziehung und Rahmensbedienung. Die Biologie spielt nur eine geringe Rolle. Menschen sind soziale Wesen, ihre Biologie ist nur ein Vorwand, Menschen eine Geschlechtsidentität zuzuweisen. Biologisch weibliche Menschen werden zu Frauen erzogen, biologisch männliche zu Männer.

 

Literatur:

Groult Benoite:Gleiche unter Gleichen. München. Knauer Verlag 1995

Groult Benoite: Ödipus Schwester. Zorniges zur Macht der Männer über
Frauen. München. Knauer Verlag 1995