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Zitieren sie diesen Text bitte folgendermaßen:

North, Marie :

Rezension von "Die Verräter". In: Webportal für die Geschichte der Männlichkeiten des Instituts für Geschichte der Universität Wien,

http://www.univie.ac.at/igl.geschichte/maennergeschichte/rezensionen/verraeter_01.htm


Verortung einer Quelle
- Die Verräter -

Einleitung

Die vorliegende Arbeit stellt meinen ersten Versuch dar, eine Quelle zu beschreiben. In dem Text geht es weniger darum konkrete Fragen an die Quelle zu stellen, als ihr Potential als Forschungsgegenstand für Männergeschichte zu eruieren.

Die Quelle und ihre Verortung - Ein Ratgeber

Die Verräter: Zwei Männer enthüllen die letzten 55 Geheimnisse ihrer Art von Harald Braun und Christian Sobiella. Kreuzlingen / München: Heinrich Hugendubel Verlag, 2002, 267 S. Gebunden 15,95 €
Es handelt sich bei Die Verräter nicht um ein wissenschaftliches Werk, noch ist es bemüht den, im Buch getätigten Aussagen einen wissenschaftlichen Anspruch zu verleihen.
Die Autoren starten den Versuch einen Ratgeber zum Mysterium Mann für Frauen zu publizieren, um den Leserinnen ein mögliches Erklärungsmodell für ihre zwischengeschlechtlichen Verständigungsprobleme zu liefern. In Die Verräter werden demzufolge, wie es Aufgabe eines Ratgebers ist, Tipps und Informationen weitergegeben, wobei diese Dogmen, meist jeglicher Wissenschaftlichkeit entbehren.
Die Verräter enthält keine Bibliographie bzw. kein Quellenverzeichnis, in dem die angeführten Studien, Umfragen und andere Literatur zum Thema Mann etc., auf die sich die Autoren teilweise stützen, vermerkt sind .

Der Inhalt

Das Werk soll, so hat es den Anschein, in erster Linie unterhalten.
In den fünfundfünfzig Kapiteln des Buches beschreiben die Autoren den Lebensinhalt des „0815“- Mannes in der Gegenwart, immer in bezug auf die Andersartigkeit der Lebensinhalte der Frauen! Die besprochenen Themenkreise hierbei, behandeln beispielsweise wieso Männer sich geschmacklos (nicht der Mode entsprechend) kleiden, ins Bordell gehen, so tun, als ob sie auf alles eine Antwort hätten und Fußball als Ersatzreligion empfinden.

Mit anderen Worten im Fokus steht das gängige Klischee vom Mann, welcher Fußball verehrt, dem die Karriere wichtiger ist als die Familie, der sich bekochen lässt und viel zu wenig auf die Probleme einer Frau (vorzüglich seiner Lebenspartnerin) eingeht.
Die Klischeehaftigkeit ist zu erkennen, anhand der Unwissenschaftlichkeit der Aussagen, und dem erhobenen Anspruch auf Allgemeingültigkeit der beschriebenen Verhaltensweisen bzw. Charakterzügen.
Dabei greifen die Autoren teilweise auf Fachwissen aus diversen Studien, Umfragen, Statistiken und Expertenwissen zurück, wobei hier Umfragen von Brigitte ebenso zum Zug kommen wie eine Statistik des Kraftfahrzeugbundesamtes und universitäre Studien . Andererseits werden auch persönliche Erfahrungen der Autoren geschildert, bzw. Anmerkungen von Freunden/innen der Autoren zitiert, die als Grundlage für die dargestellten Erkenntnisse der Autoren verwendet werden.

Der Text ist humorvoll, flüssig und leicht geschrieben, und die Autoren pflegen einen sehr informellen und persönlichen Schreibstil. Die Autoren scheinen sich über ihr eigenes Geschlecht lustig zu machen, zur Unterlegung dieser Annahme ein Auszug aus dem Prolog:

Warum es dieses Buch gibt wollen sie wissen? Na ja, da kommt einiges zusammen. Geltungssucht natürlich, unverbrämte, hemmungslose Eitelkeit. Weiterhin die Möglichkeit, mal an prominenter Stelle seine Meinung in die Welt zu blöken, die dann für einen trügerischen Moment ein kleines bisschen maßgeblicher erscheint. Sicher der Umstand, dass wir schon lange mit Jungs zu tun haben und wissen, wie lächerlich und merkwürdig diese Gestalten sein können – genau wie wir beide übrigens.

Die Autoren

Der Biographien der Autoren wird leider wenig Aufmerksamkeit geschenkt, es wird nur kurz im Umschlagtext ihre Ausbildungs- bzw. Berufslaufbahn dargestellt. Beide sind oder waren schreibend für Frauenzeitschriften tätig.
Genauere biographische Angaben zu den Autoren wären beim Lesen des Werkes und der Verortung der Quelle sicher von Interesse!
Die Haltung der Autoren zu ihrem Buch ist schwer festzumachen, weil die Autoren zwar mit Humor das gängige Klischee vom Mann präsentieren, es aber auch nicht widerlegen. Das beschriebene Männerbild wird keiner Wertung unterzogen.

Ihr Potential als Forschungsgegenstand - Der Inhalt unter der Lupe


Bei Computern zählt vielmehr das, was Frauen so gerne für sich reklamieren würden: die inneren Werte. Männer interessieren sich brennend für abstrakte Größen wie Arbeitsspeicher, Festplattenkapazitäten und Taktraten ihres PCs, Dinge, die sich vollkommen und präzise mit Zahlen und Einheiten beschreiben lassen und deshalb mit den Maßstäben der Vernunft fassbar sind. Und mit denen man angeben kann.
Mit der verworrenen Seelenlandschaft einer Frau sind wir Männer hingegen überfordert, denn dort scheinen rationale Faktoren nicht die geringste Rolle zu spielen. Frauen sind nicht logisch.

In einem anderen Abschnitt des Buches, worin es um das Thema Kochen geht, wird festgehalten, dass Frauen besser kochen, weil sie sich auf ihr intuitives Gefühl verlassen können, denn sie haben laut Ernährungswissenschaftlern feinere Geschmacksnerven als Männer. Eine Untermauerung der getätigten Aussagen durch Heranziehung von Fachwissen, wie im vorangegangenen Beispiel, ist allerdings eine Seltenheit.

Im Kapitel Steht mir das? wird der Frage nachgegangen, warum Frauen beim Einkaufen (vornehmlich beim Einkaufen von Kleidungsstücken) sich überdurchschnittlich mehr Zeit nehmen als Männer. Fazit der Autoren: Männer wählen, im Gegensatz zu Frauen, ihre Klamotten schneller aus, weil sie nach den Kriterien der Tragbarkeit und Funktionalität vorgehen.
Ähnlich wie im vorangegangenen Beispiel wird, im Allgemeinen, im Ratgeber Die Verräter auf die Verschiedenheit der Verhaltensweisen und Charakterzüge von Mann und Frau hingewiesen.

Das Konfuse an der vorliegenden Quelle ist, dass teilweise Verhaltensweisen des Mannes, welche dem gängigen Klischee entsprechen, festgehalten werden, ohne dass, auf die Gründe hingewiesen wird, wieso diese Verhaltensweisen für Männer angeblich so charakteristisch sind. Die verschiedenen Aspekte des männlichen Verhaltens werden als unveränderliche Dogmen hingestellt, auf eine Begründung wird meistens verzichtet.
In machen Kapiteln wird aber dann dennoch, zwar meist nur kurz umrissen, versucht aufzuzeigen, beispielsweise, dass Männer aufgrund ihrer Sozialisation und Erziehung mehr an individuellem Erfolg, Konkurrenzkampf und der damit verbunden Machtausübung interessiert sind als Frauen . Oder dass 98.5 % der deutschen Männer, sich deshalb gegen die Karenz entscheiden, weil die Familie mehr auf das männliche Einkommen angewiesen ist und nicht, weil Männern grundsätzlich die Karriere wichtiger ist als die Familie.

Hier ein Beispiel aus dem Kapitel: Reine Selbsterhaltung? Warum Männer Schweine sind.

Man kann sicher sein, dass Männer nicht als Ferkel geboren werden. Warum werden sie dann welche? Sozialisation heißt das Zauberwort. Und die beginnt früh. Männer werden bereits am Erfolg gemessen, wenn sie noch Kinder sind. Das macht Druck. Erfolgsdruck. Und Erfolg hat man, wenn man weiß, was man will, nicht nach links oder rechts schaut, sondern geradeaus seinen Weg sucht, die Ellbogen ausfährt und sich nicht den Luxus gönnt, sein Verhalten kritisch zu hinterfragen.

Ob die Begründungen für das Verhalten von Männern richtig oder falsch sind, soll an dieser Stelle nicht im Mittelpunkt der Betrachtung stehen.

Gedanken zu einem Klischee

Bei der Beschreibung des Verhaltenskodex des „0815“- Mannes wird nur selten auf den Aspekt hingedeutet, dass womöglich Verhaltensweisen und Rollenverhalten nicht von Geburt an vorhanden sind, sondern auf Sozialisation, Erziehung bzw. auf eine kulturelle Konstruktion eines Männerbildes gestützt sind. In der Mehrzahl der Kapitel in diesem Buch wird die Andersartigkeit des Mannes, mit den Attributen, die dem Klischee entsprechen, unterstellt, ohne näher auf die Ursprünge der beschriebenen Vorurteile einzugehen.

Es wird ein Klischee breitgetreten, dass jeder kennt, dessen Überzeichnung und Falschheit sich der Mensch theoretisch bewusst ist, er es in der Realität / in der Praxis dennoch gerne als Argumentationsmuster heranzieht!

Das Problem an einem Klischee ist folgendes, denkt man/frau ein, zwei Kriterien eines Vorurteils oberflächlich in einem Menschen erkannt zu haben, meint man/frau das gesamte Klischee, welches aus wesentlich mehr Mosaiksteinchen zusammengesetzt ist, als bestätigt!

Als Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung in Hinblick auf Männlichkeitsgeschichte, gewinnt der Ratgeber an Potential.
Denn von den Massen gelesen wird, nicht die meist unverschämt schwere deutschsprachige wissenschaftliche Literatur, sondern leichtverdauliches, wie dieses Buch, welches für ein großes Zielpublikum geschrieben ist. Und von diesem, haben sich die Autoren sicher bei der Erarbeitung des Buches auch beeinflussen lassen. Folgende Forschungsfragen wären von Interesse:In wiefern erfolgt eine Reflexion über den Inhalt des Buches durch die Leser/Innen? Offenbart der Ratgeber den Leser/Innen etwas Neues oder wird bereits bestehendes Wissen bestätigt, widerlegt oder sogar bereichert?

Einige Gedanken zum Bezug der Quelle zur Männergeschichte

Die Stärke des Buches liegt darin, dass es das vorhandene klischeehafte Männlichkeitsbild von 2002 aufzeigt – eine Momentaufnahme. Die einzelnen Bruchstücke dieses Bildes, auf deren Ursprünge im Buch nicht hingewiesen wird, sind weiterhin im 19. und 20.Jhr. verwurzelt, was die (Forschungs-)Frage aufkommen lässt, ob es mit den gesellschaftlichen Veränderungen, beispielsweise durch eine Frauenbewegung und Emanzipationswelle, welche verstärkt am Ende der 60er Jahre zum Ausdruck kamen, wirklich etwas auf sich hat?

Ein Impuls, der in Die Verräter geliefert wird, ist die Aussage, dass Männer sich leicht orientierungslos in dieser westlichen Gesellschaft (vornehmlich Deutschland) bewegen, da einerseits die Emanzipation der Frau teilweise bereits Fuß gefasst hat, beziehungsweise theoretisch schon lange ein Thema des öffentlichen Interesses darstellt, sich praktisch aber immer noch diese Emanzipation, oder die angebliche Wandlung des Männlichkeitsbildes weg vom patriarchalischem öffentlichem Manifest in etwas anderes, nicht immer wahrnehmbar ist. So ist es in Deutschland zwar möglich als Mann in Karenz zu gehen, aber wirtschaftlich nicht ratsam, und da die meisten Familieneinkommen, auf den Einkommensteil des Mannes mehr angewiesen sind als auf den der Frau, geht die Frau in Karenz. Natürlich spielen bei dieser Entscheidung auch andere Faktoren eine Rolle, wie z.B., dass die Mutterrolle meistens ausschließlich der Frau, auch von Frauen selbst, zuerkannt wird.

Zur Orientierungslosigkeit der Männer

George L. Mosse geht in seinem Werk Das Bild des Mannes einem maskulinen Stereotyp nach, dessen Ursprünge er im 18.Jhr. sucht und welches in der 1. Hälfte des 20.Jhr. wahrscheinlich seinen jüngsten Höhepunkt erlebt hat! Es handelt sich dabei um die Entstehung eines ausgeklügelten Regelwerks, das hilft ein richtiger Mann zu werden, bzw. einen solchen zu erkennen.
In der bürgerlichen Gesellschaft des 19.Jhr. wurde die Trennung der Lebensräume der Geschlechter in einen privaten Raum des Exklusiven der Frau und einen öffentlichen des Mannes durchgeführt. In Folge dessen wurde der Mann zum Repräsentant des Staatsgebildes. Männlichkeit wurde zu einer Art Gesamtkunstwerk stilisiert, welches das Äußere und das Innere umfasst und am Ende wurde beides gleichgeschaltet. Einher ging diese Entwicklung mit der Festlegung von Anti-Typen, welche den männlichen Paradigmen wie körperliche Kraft, Stolz, Ehre, Öffentlichkeit, Repräsentanz des Staatsgebildes entgegenstanden, wie Verweichlichung, Weiblichkeit, Feigheit, Unehrenhaftigkeit, etc.

Mosse geht unter anderem der Frage nach, ob dieses Männlichkeitsbild, dass seiner Meinung nach, in den Jahrhunderten zuvor, zur Aufrechterhaltung der Gesellschaft gedient hat und in der 1. Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Normen für die Gesellschaft festgelegt hat, heute noch Gültigkeit hat, bzw. für das Bestehen der Gesellschaft von Notwendigkeit ist?

Laut Mosse kam es in der 2. H. des 20.Jhr. zu einer Aushöhlung des männlichen Stereotyps, dessen formale Charakteristika bestehen bleiben, man sich aber von den früher damit verbundenen Werten der Männlichkeit verabschiedet.
Auf die Problematik des schwindenden männlichen Stereotyps am das Ende des 20.Jhr. bezogen, erwähnt Mosse eine These der Schriftstellerin Carol Lee, dass die Ängste der Männer ihre Männlichkeit betreffend – einen Fluch des Mannes darstellen, denn es gibt kein fixes Regelwerk mehr nach dem man sich richten kann um ein Mann zu werden!
Auf diese Orientierungslosigkeit gehen die Autoren in Die Verräter kurz ein. Aufgrund dieser Orientierungslosigkeit sind, den Autoren zufolge, die, in Die Verräter dargestellten typisch männlichen Verhaltensweisen gegeben.

Conclusio

Um noch einmal kurz zum Punkt zu kommen, diese Quelle bietet ein Standbild des männlichen Klischees 2002. In diesem wird die Allgemeinheit der männlichen Bevölkerung auf einen Nenner reduziert.
Eine interessante Forschungsfrage ist nun, ob die, von Mosse angesprochene, Orientierungslosigkeit mit ein Grund ist, warum dieses männliche Vorurteil, das in dieser Arbeit nun schon oft genug beschrieben worden ist, immer noch in den Köpfen der Menschen der westlichen Welt (bzw. Deutschland) herumspukt, bzw. warum dieses Buch geschrieben wurde!


Literatur:


George L. Mosse, Das Bild des Mannes, Frankfurt am Main, Büchergilde Gutenberg Verlag, 1997

www.univie.ac.at/igl.geschichte/ws2002-2003/Maennlichkeiten.doc

Microsoft® Encarta® Enzyklopädie 2002. © 1993-2001 Microsoft Corporation.

Harald Braun/Christian Sobiella, Die Verräter, Kreuzlingen / München: Heinrich Hugendubel Verlag, 2002