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Zitieren sie diesen Text bitte folgendermaßen:

Wielach, Astrid:

Rezension von Dieter Bohlens "Nichts als die Wahrheit" In: Webportal für die Geschichte der Männlichkeiten des Instituts für Geschichte der Universität Wien,

http://www.univie.ac.at/igl.geschichte/maennergeschichte/rezensionen/bohlen_01.htm


Autopsie einer männlichen Autobiographie - Dieter Bohlen: „Nichts als die Wahrheit“

 

1. Vorwort

In der vorliegenden Arbeit möchte ich die Autobiographie „Nichts als die Wahrheit“ von Dieter Bohlen hinsichtlich des Aspektes „Männlichkeit“ auswerten und analysieren.

Warum gerade Dieter Bohlen?
Das „Mann-Sein“ – oder auch „Männlichkeit“ assoziiere ich in meinen ersten Gedanken mit einem betonten männlichen Verhalten – einem Macho. Ein für mich typischer Macho stellt sein Geld und seine (Luxus)Güter gerne zur Schau, hat (wahrscheinlich deswegen) viel Erfolg bei Frauen, zeigt keine Gefühle, klopft harte Sprüche, um sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen – ein Macho ist ganz einfach bekannt. Deshalb entschloss ich mich für Dieter Bohlens Autobiographie.

Dieter Bohlen ist einer der erfolgreichsten deutschen Musiker, Songschreiber, Produzenten und seit neuestem „Bestseller-Autor“. Mit seinen Projekten "Modern Talking" und "Blue System" erreichte er weltweiten Ruhm und kassierte Gold- und Platinplatten am laufenden Band. Der mehrfache Vater Dieter Bohlen blieb auch durch sein Privatleben immer in den Medien. Seine Kurz-Ehe mit Verona Feldbusch sowie die jahrelange Beziehung mit seiner Backgroundsängerin Nadja abd el Farrag waren immer wieder für Schlagzeilen gut. Letztendlich schaffte er es mit seinen (Sex-) Skandalen und seiner neuen jungen Liebe Estefania stets seine Medienpräsenz zu sichern.

Schon in seinem Intro(1) reduziert er den Begriff „seiner Männlichkeit“ und Selbstdarstellung mit den Aspekten Geld, Reichtum, Frauen und Berühmtheit:

„Liebe Bohlen-Buch-Leser!
Immer wieder werde ich gefragt:
1) Lieber Dieter, wie kriegt man so viel Kohle?
2) Lieber Dieter, wie kriegt man so viele Frauen?
3) Lieber Dieter, wie kriegt man so viele Autos?
4) Lieber Dieter, wie macht man das, immer in den Medien zu sein?“
Die Zeit scheint reif für ein paar Antworten. Frage eins bis der wären schnell geklärt: Talent + arbeiten + arbeiten + arbeiten+ arbeiten – dann kommt irgendwann auch die Kohle. Und: Haste Kohle, haste Frauen, Haste Autos.“(2)

Dadurch, dass Dieter Bohlen selber seine Autobiographie und somit seine Person mit diesen Aspekten beschreibt und definiert, möchte auch ich die Analyse des Buches im Anbetracht dessen vornehmen. Dieter Bohlens Lebenslauf werde ich nicht gesondert anführen, sondern in die Analyse einfließen lassen. Ebenso werde ich auf einzelne musikalischen Meilensteine nicht eingehen, da sie für meine Analyse selber nicht wichtig sind. Während der Lektüre dieser Biographie entdeckte ich, besonders in Bezug auf Frauen, sehr viele Widersprüche, die ich in meiner Analyse besonders aufzeigen möchte. Letztendlich kam ich zu einer ganz anderen Betrachtungsweise von Männlichkeit Dieter Bohlens betreffend – eine Ansicht, die selbst mich überraschte...

 

2. „KOHLE“(3) UND FINANZIELLE GEGEBENHEITEN

Dieter Bohlen wurde am 7. Februar 1954 in Oldenburg als Sohn eines Hydraulik-Ingenieurs geboren. Dieter Bohlen galt als sehr guter Schüler, hatte aber Probleme mit Autorität, Lehrern und weichen Drogen. Er wechselte die Schule und machte aufgrund seiner hervorragenden Noten schon mit 17 Jahren das Abitur. Im Alter von zehn Jahren hatte Bohlen angefangen, Musik zu machen. Schon früh schrieb er eigene Songs und nahm an Talentwettbewerben teil. Er lernte Gitarre und Keybords spielen und wollte unbedingt Musiker werden.

Dieter Bohlen wuchs als ältester Sohn in einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater warf nach der Geburt seines Bruders Uwe seinen Job als Beamter im Straßenbauamt Aurich hin und machte sich mit einer Straßenbau-Firma „Hans Bohlen Tiefbau GmbH Oldenburg“ selbstständig(4). Seine Großeltern väterlicherseits waren Schweine- und Kuh-Bauern. Der Mangel an Geld prägte Dieter Bohlens Kindheit. Finanziell musste er oft zurückstecken wie auch bei seinem Studium der Betriebswirtschaft in Göttingen:

„Ich besaß nur einen Teller ein Glas, ein Besteck. Was das Abwaschen ausgesprochen unkompliziert machte: einfach untern Wasserhahn vom Gemeinschaftsklo halten – fertigt.“(5)

„Ich schleppte mich jeden Tag zur Uni, bolzte mir in der Mensa was zu essen rein. Ich verkniff mir den Kartoffelsalat mir Fisch in Bierteig, den ich für mein Leben gern aß. Stattdessen nahm ich Kohl mit Salzkartoffeln und grünen Bohnen, weil der fünfzig Pfennig billiger war. [...] Ich versuchte finanzielle Sicherheit anzusammeln um jeden Preis.“(6)

„Bis zum Ende meines Studiums hatte ich mir so fast siebzigtausend Mark vom Munde abgespart.“(7)

Im Jahre 1978 (ein Semester früher als üblich) war er Diplomkaufmann und sollte den väterlichen Betrieb in Oldenburg übernehmen. Doch der Traum von der Musik blieb und begleitet von dem Gedanken „Ich wollte nicht dahin, wo mein Vater herkam.“(8) fing er bei einem Musikverlag in Hamburg zu arbeiten an.
Diesen Traum verwirklichte er schließlich. Im Februar 1983 traf er das erste Mal auf seinen späteren Partner Thomas Anders. Die beiden verstanden sich von Beginn an sehr gut und gründeten das Duo "Modern Talking". Mit ihrem ersten Hit "You're my heart, you're my soul" setzten sie sich im Jahr 1985 an die Spitze der europäischen Charts und blieben über ein halbes Jahr in den deutschen Charts. Es folgten Hitsingles wie "Cheri, Cheri Lady", "Brother Louie", "Atlantis Is Calling" und das erste Album. Der Erfolg von "Modern Talking" war enorm. 75 Gold- und Platin-Platten heimste das Duo ein und feierte weltweit Erfolge mit Konzerten vor Millionen Fans.

Meine Informationen beziehe ich zwar fast ausschließlich aus der Biographie „Nichts als die Wahrheit“, doch traue ich mir zu sagen, dass die Schilderungen seiner kindlichen und jugendlichen Armut überspitzt gebracht wurden – so nach dem Motto: „vom Tellerwäscher zum Millionär“, um so seinen jetzigen Reichtum und seinen Erfolg in den Vordergrund stellen zu können. Womit ein Aspekt seiner selbst definierte Männlichkeit abgedeckt wäre.

 

3. FAMILIE, FRAUEN

 

„Der wichtigste Mensch, die allergrößte Liebe meines Lebens ist Mamas Mama: meine Oma Marie. [...] Für mich war sie die schönste Frau der Welt, sie schnitt sich nie die Haare und hinten am Kopf, weiß ich noch, hatte sie so eine Schnecke aus geflochtenem Haar kleben.“(9)

Aufgrund dieses Zitates kann man erkennen, dass ihm die Familie sehr wichtig ist. In der Biographie findet man deshalb auch einige Fotos aus seiner Kindheit, von seiner Mutter, seinem Vater, seinem Bruder Uwe und seiner ersten Ehefrau Erika. Meiner Meinung und Einschätzung nach hegt er diesen Personen gegenüber sehr tiefe und ehrliche Gefühle.

„[...] aber keiner meiner Freunde oder Bekannten inklusive Erika hätten jemals gedacht, dass ich mich von ihr trenne. Heute betrachte ich es als die größte Sünde meines Lebens, dass ich meine Kinder verlassen habe. [...] An dieser Stelle möchte ich etwas sagen, was ich erst viel später begriff: Eigentlich ist Erika die Göttin aller Frauen für mich, die Mutter aller Mütter, einer der tollsten Menschen, die ich je kennen gelernt habe. Meine Kinder sind zu hundert Prozent Erika. Dass sie so normal, so bodenständig, so toll sind, liegt an ihr.“(10)

Dem ungeachtet entdeckt man nicht nur in der Autobiographie, sonder auch in Interviews und Fernsehauftritten, auch äußerst abfällige Aussagen Frauen gegenüber. Wahrscheinlich passt diese Art besser zu seinem Dasein in der schnelllebigen Musikbranche oder entspricht einem Image, dem er nicht mehr auskann - denn im Grunde erwartet man solch derbe Aussagen von Dieter Bohlen. Somit demonstriert er eine frauenfeindliche und machomäßige Art von Männlichkeit – seine Männlichkeit, die er in der Öffentlichkeit präsentieren und darstellen möchte, aber ich glaube nicht im privaten Leben verkörpert.

„Überhaupt, alles was Hausarbeit anbelangt, bin ich ein Verfechter des klassischen Rollenmodells. Ich gehe gerne Holzhacken, stemme Selterskisten und erlege den Bären. Dafür mach ich einen großen Bogen um Staubsaugen und Abwaschen. Beim Staubsaugen wüsste ich noch nicht mal, wo der Knopf zum Anmachen ist. Und Abwaschen finde ich schon mal ganz unmännlich. Ich würde eher ein neues Porzellan-Service kaufen, als Pril-Wasser einlassen und Gummi-Handschuhe anziehen. Außerdem habe ich eine Gummi-Allergie, bezogen auf alles und überall.“(11)

„Erika war unheimlich gut zu Vögeln, hatte mindestens zwanzig Zebrafinken, die [...]“(12)

„Sie (Anm.: Brigitte Nielsen) war unheimlich lieb und hatte zwei riesen Dinger.“(13)

„Sex mit Naddel ist wie Eins mit Sternchen, Nudeln mit Trüffeln, Eis mit Sahne – da muss man nix können.“(14)

„Die fingen ungefragt neben mir an zu tanzen und zeigten sich von ihrer besten Seite, nämlich von hinten.“(15)

„[...]Wie eine Maus tanzt, so schnackselt sie auch.“(16)

 

4. MEDIENPRÄSENZ, BERÜHMTHEIT

Als Kind war er stets Außenseiter und der Junge in der Schule der bei keinem und schon gar nicht bei Mädels gut ankam.

„Mit den anderen Kindern in meiner Straße befand ich mich im Dauerkriegszustand. [...] ihre liebste Tätigkeit war es, mir auf dem Rückweg von der Schule im Straßengraben aufzulauern [...]“(17)

„Ich weiß noch: Ich nahm immer wieder Anlauf, Klassensprecher zu werden. Aber wenn dann am Ende der geheimen Abstimmung die Zettelchen ausgezählt wurden, erschien auf der Tafel hinter dem Namen stets nur ein einsamer Kreidestrich, sodass ich wusste: 'Hey, der Einzige, der dich hier wählt, bist du selbst'“(18)

Doch die Abneigung seiner Klassen- und Schulkameraden änderte sich bald, als er das zwar oberflächliche, aber wirksame Geheimrezept für Beliebtheit und Anerkennung entdeckte.

„[...] aber was er konnte, war Gitarre spielen. Und auf einmal saßen alle Mädels, alle Jungs aus meiner Klasse fasziniert um ihn rum, wenn er „I Wanna Hold Your Hand“ von den Beatles spielte. Alle machten uh und ah, plötzlich war er cool, war er angesagt. Alle wollten ihn kennen. Und bei mir fiel der Groschen: ‚Moment, so funktioniert das also mit dem Beliebtsein!’“(19)

Ich denke, dass ist der Grund, warum Dieter Bohlen noch heute als kaltherziger, harter und gefühlsloser Typ gesehen wird – er selbst hat es ja außerfamiliär selten anders erfahren.

Nichts desto trotz erzählt er in seiner Biographie von Vorfällen und Begebenheiten, die keineswegs „männlich“ sind. Deshalb glaube ich, wie ich bereits oben erwähnt habe, dass die Art von Männlichkeit, die er in der Öffentlichkeit zur Schau stellt, eine reine Image-Sache ist.

„Wir hatte einen weiteren Promotion-Auftritt im „Hippodrome“, der angesagtesten Disko von London. [...] Was wir nicht wussten: Man hatte uns als Gay-Band angekündigt, als zwei Schwuletten, die sich lieb haben und außerdem noch Musik machen. [...] Wir hatten das nicht mitgekriegt.“(20)

“Modern Talking war tot. Nach den bonbonfarbenen Fallschirmseiden-Albträumen, dem Lippgloss und dem ganzen hoch, höher am höchsten Gequieke wollte ich endlich wieder als richtiger Mann auf der Bühne stehen.“(21)

 

5. NACHWORT ODER: MEIN ERGEBNIS

Letztendlich bin ich, wie schon oben angedeutet, zu dem Ergebnis gekommen, dass die Männlichkeit, die Dieter Bohlen zugeschrieben wird eine reine Inszenierung für die Öffentlichkeit ist und ihm somit eine regelmäßige Präsenz in den Medien und diversen Magazinen sichert. Immerhin ist es ja viel interessanter von einem Macho-Bohlen zu lesen, der derbe Sprüche klopft und mit seinen frauenfeindlichen Aussagen und Verhaltensweisen für Schlagzeilen sorgt. Wer möchte schon von einem Dieter Bohlen hören, der eine „normale“ Kindheit in „normalen“ finanziellen Verhältnissen hinter sich hat, bereits mit 17 maturiert und das Studium der Betriebswirtschaften im Eiltempo hinter sich gebracht hat. Der noch dazu wahrscheinlich eine hohen Bildungsstand erreicht hat, den er nur leider nicht zeigen darf oder nur selten zum Ausdruck bringt. Denn Wörter wie „Konglomerat“(22) oder „pekuniäre Paranoia“(23)erwartet, traut man „diesem Dieter Bohlen“ nicht zu.

Der Titel „Nichts als die Wahrheit“ bezieht sich meiner Meinung nach nicht auf Dieter Bohlen selber, sonder auf die Leser - denn die Wahrheit ist - sie wollen genau das hören was sie in diesem Buch auch lesen können.

 

Literatur & Anmerkungen:

(1) Bohlen, Dieter/Kessler, Katja: Nichts als die Wahrheit, München 2002, S 9.

(2) Bohlen/Kessler S 9.

(3) Bohlen/Kessler S 9.

(4) Bohlen/Kessler S 13.

(5) Bohlen/Kessler S 32.

(6) Bohlen/Kessler S 35.

(7) Bohlen/Kessler S 36.

(8) Bohlen/Kessler S 71.

(9) Bohlen/Kessler S 11.

(10) Bohlen/Kessler S 145.

(11) Bohlen/Kessler S 43.

(12) Bohlen/Kessler S 40.

(13) Bohlen/Kessler S 119.

(14) Bohlen/Kessler S 144.

(15) Bohlen/Kessler S 287.

(16) Bohlen/Kessler S 287.

(17) Bohlen/Kessler S 16.

(18) Bohlen/Kessler S 17f.

(19) Bohlen/Kessler S 18.

(20) Bohlen/Kessler S 94f.(21) Bohlen/Kessler S 124.

(22) Bohlen/Kessler S 205.(23) Bohlen/Kessler S 146.