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Zitieren sie diesen Text bitte folgendermaßen:

Schmid, Gabriele:

Theodor Storm eine Biographie. In: Webportal für die Geschichte der Männlichkeiten des Instituts für Geschichte der Universität Wien,

http://www.univie.ac.at/igl.geschichte/maennergeschichte/sozialisation/krieg_01.htm


Theodor Storm


Biographie mit Selbstzeugnissen dargestellt von Hartmut Vincon


Dies ist ein Versuch mit Hilfe der Biographie von Theodor Storm sein Leben mit dem Männlichkeitsprinzip des 19. Jhdt .zu vergleichen.
Theodor Storm wurde am 14.9.1817 in Husum als erstes von zwölf Kindern geboren. Sein Vater war laut Beschreibung Storms klein, schwächlich, mit heftigen Temperament, tiefster Innigkeit des Gemütes, die er verbarg oder unterdrückte ohne Selbstsucht , von keuscher Ehrhaftigkeit, klare Auffassung der Sachlage, aber ohne Humor. Es fehlte im Umgang mit seinen Vater ,wie er sich ausdrückte die frohe Leichtigkeit. Seine Mutter beschreibt Storm als anmutig, mit braunen Haar und dunkelgrauen Augen ,einem klaren Verstand, sehr großem Interesse für Kunst und Natur, aber ohne hervorragender geistiger Begabung.
Die Beschreibung seines Vaters kann man in das von Honegger entworfene „Prinzip der Männlichkeit“ um 1800 einordnen, wenn man einige Punkte des „Natürlichen Sein des Mannes“ betrachtet:
a) heftiges Temperament
b) Urteilskraft
c) Verstand
d) Selbstbeherrschung
Storm hatte zu seinen Eltern kein Nahverhältnis, er meinte er kann sich nicht erinnern von ihnen je umarmt oder geküsst worden zu sein. Seine Bezugsperson war seine Großmutter,
die geringe geistige Anlagen ,aber eine große Herzensgüte und ein heiteres Gemüt hatte.
Er besuchte die Grundschule, dann die Gelehrtenschule in Husum, danach das Gymnasium in
Lübeck um dann auf die Universität in Kiel zu gehen.
Sein Freund Röse den er in Lübeck kennen lernte ist sicher der „ Avantgarde“ zuzuordnen.
Er ist eine typische Geniegestalt, die dem Bürgertum entrinnen möchte.
Theodor Storm verliebt sich das erste Mal mit 12 Jahren in Emma Kühl( sie küssten sich heimlich hinter der Küchentür). Er traf sie als Student wieder und die gegenseitige Verliebtheit war sehr groß, er verlobte sich mit ihr, löste die Verlobung aber sofort wieder, auf da er sich doch zu jung vorkam.
Parallel dazu lernte er in Hamburg Bertha kennen, sie war 10 Jahre alt und er 20. Laut seinen späteren Aussagen hat er sie schon, als sie noch ein Kind war geliebt, er wird aber zurückgestoßen und auch als Bertha 17 Jahre war und er ihr einen Heiratsantrag machte wird dieser nicht angenommen.
Storm erklärte später, er glaube, wenn das Gefühl erwidert worden wäre, wäre es nie erloschen, ohne Gegenseitigkeit könne es aber nicht bestehen. Er wurde dieser Enttäuschung aber Herr, unter anderem auch durch seine Kieler Freundeskreis.
1842 macht er sein juristisches Abschlussexamen und kam zurück nach Husum. Er hat aber ein gespanntes Verhältnis zu seinem Vater als dieser von seinen Schulden erfuhr. Storm arbeitet zunächst bei ihm als Advokat, macht sich in der Folge aber selbstständig.
Er verlobt sich 1844 zum Erstaunen seines Vaters mit seiner Cousine Constanze. Storm schreibt in einem Brief, das er sie auf beinahe unmögliche Weise lieb hat, nicht sinnliche Leidenschaft, sondern inneres Wesen hätte beide zueinandergeführt. Er spürte die Grenzen und Mängel ihrer Erziehung, so gibt er ihr unermüdlich Hinweise für die Verbesserung ihrer Bildung und ihres gesellschaftlichen Verhaltens. Storm tadelt sich später selbst wenn er auf seine Erziehungsmaßnahmen zurückblickte und sagt: was bin ich für ein Esel gewesen, wie habe ich Dich gequält und mit welcher süßen, mädchenhaften Geduld hast Du das getragen. Er heiratet sie 1846. Im ersten Jahr seiner Ehe lernt Storm Dorothea kennen und lieben und sie erwidert seine Liebe. Er spricht von der erschütternsten Leidenschaft seines Lebens.
In dieser Zeit entstehen viele Liebesgedichte. Constanze weiß von diesem Verhältnis, unternimmt aber nichts dagegen. 1848 verlässt Dorothea Husum. Thomas Mann beschreibt das Verhalten von Constanze bzw. von Theodor so: Sie benimmt sich bewunderungswürdig, er, der nicht einmal in der Treuelosigkeit treu ist und aus Egoismus gemütvoll eingewohnt in sein leidenschaftsloses Eheidyll, die Geliebte völlig vergisst und keine Gedanken an sie hat, auch keinen gewöhnlicher menschlicher Anteilnahme. Constance hatte die Gedanken, statt seiner.
Storm hat sich mit der schleswig-holsteinschen Bewegung solidarisiert Diese war deutsch-national und kämpft gegen die Dänen .Seine vaterländische Poesie ist stille Abwehr und nicht politische Agitation. Er bezieht seine Braut in seine politischen Gedankengänge ein.
In Storms Gedichten findet sich auch das, aus der Aufklärung kommende Gefühl für die Natur wieder.
Storm beschreibt sich selbst als stark sinnliche, leidenschaftliche Natur, die Zurückhaltung in den Schriften beruht zum Teil aus dem Drang zur Verinnerlichung. Seine Liebesideologie reicht von empfindlicher Prüderie bis zu antibürgerlicher Liebesemanzipation. Es schlägt bei ihm aber auch die in der bürgerlichen Gesellschaft herrschende Moral von der Sündhaftigkeit des Erotischen durch.
Storm muss wegen seiner Stellungnahme gegen die Dänen Schleswig–Holstein verlassen und geht ins Exil nach Potsdam. Seine Frau mit den Kindern bleiben noch in Husum, da er erst versucht Arbeit zu bekommen. Storm bekommt eine Stelle in Heiligenstadt als Kreisrichter, wohin ihm seine Familie folgt..
Es werden die finanziellen Schwierigkeiten beschrieben, die er auf Grund des geringen Gehaltes und seiner mittlerweile vier Kinder hat, und das er weiter auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen ist. Gesellschaftlich war er am Anfang ziemlich „ alleine“ dies änderte sich aber dann und er beschreibt die wöchentlichen Zusammenkünfte mit zwanzig
Familien als zwanglos und angenehm, es wird dabei gesungen, musiziert, gespielt und gelesen.
Laut eigenen Angaben war Storm ein passionierter Vater, der jedoch laut seiner Tochter Gertrud ein „lockeres Handgelenk“ hatte. Er schlug seine Kinder und ließ sie als Strafe aus dem Preußischen Gesetzbuch abschreiben. Er achtete jedoch sehr genau auf eine möglichst gute schulische Ausbildung aller Kinder.
Die Familie Storm war mit dem Ehepaar Wussow befreundet ,deren „Preußentum“ aber
immer wieder zu Konflikten führte, da das militärische Gehabe Storm zuwider war.
Er hoffte durch die politische Veränderungen in Schleswig-Holstein nach Husum zurückkehren zu können. Die politischen Verhältnisse in Schleswig- Holstein spitzen sich zu . Die preußisch- österreichische Armee marschierte 1864 ein und die Bürger von Husum setzten den dänischen Landvogt ab und riefen Theodor Storm zum Landvogt aus. Er zögert zunächst wegen der politisch unsicheren Lage, kündigt aber dann in Potsdam und tritt sein Amt an.
Constanze stirbt nach der Rückkehr nach Husum bei der Geburt ihres siebenten Kindes an Kindbettfieber. Er schreibt an Mörike: Einsamkeit und die quälenden Rätsel des Todes sind die beiden furchtbaren Dinge, mit denen ich jetzt den stillen unablässigen Kampf aufgenommen habe. Gleichwohl bin ich nicht der Mann, der leicht zu brechen ist; ich werde keines der geistigen Interessen, die mich jetzt begleitet haben und die zur Erhaltung meines Lebens gehören, fallen lassen; den vor mir - wie es in einem Gedicht heißt- liegt Arbeit, Arbeit, Arbeit.
Für die mutterlosen Kinder wurde eine Erzieherin und ein Hausmädchen engagiert.
Er heiratet 1866 Dorothea, seine alte Liebe und hat ein achtes Kind mit ihr. Nach dem
„Deutschen Krieg“ und der faktischen Annexion Schleswigs durch Preußen setzen diese sein Gehalt als Landvogt um ein Sechstel herab, und schaffen das Amt in weiterer Folge ganz ab. Er entschließt sich als preußischer Amtsrichter zu arbeiten.
Storm kritisiert ,die Preußen die seine Heimat besetzten und berichtet in einem Brief an Egger die Art und Weise wie sie nach Schleswig-Holstein gekommen sind und zusätzlich das sie alles über den Haufen werfen. Jeder wie er sich ausdrückt „dumme Kerl“ tritt mit der Miene des kleinen persönlichen Eroberers auf, als müsse er ihnen erst die höhere Weisheit bringen.

Storm lernte nach seiner Rückkehr nach Husum Hermann Heiberg kennen. Heiberg beschreibt Theodor als „außerordentlich gelassen“ mit starkem Ordnungstrieb .
Mit Ferdinand Tönnies verband Storm eine feste Freundschaft und Tönnies beschreibt Storm so: Der große Reiz ,den Theodor auch als Mensch für mich gehabt hat, dass er ganz und gar eine dichterische Persönlichkeit war, von einer nicht gewöhnlichen Abrundung und Ganzheit.
Er lebte und webte in seiner Kunst ,deren Geist und Zauber auch sein Familienleben, sein Arbeits- und Berufsleben, sein Verhältnis zu den Mitmenschen durchdrang; sein Denken und seine Erkenntnis , seine milde ,aber tatkräftige Lebensweisheit , fanden darin ihr Ziel.
Bei Ausbruch des deutsch-französischen Krieges tat Storm die nationalistische chauvinistische Äußerung : Deutschen Herd und deutsche Gesinnung haben wir jetzt gegen die Romanen zu verteidigen.
Theodor Storm wurde immer berühmter und allmählich zu einer Lokalgröße.
Er wird am 1.5.1880 pensioniert und zieht nach Hademarschen auf seinen Alterssitz in die
„ländliche Freiheit“. Storm starb am 4.7.1888 an Magenkrebs.


Ich glaube die Darstellung der „Männlichkeit“ ohne direkten Vergleich zur „Weiblichkeit“ ist schwierig , da nicht alle von Honegger angeführten Punkte ausschließlich „männlich“ sind.
Vielleicht würde man mit einem Vergleich einen besseren Überblick gewinnen. Sicherlich lässt sich jedoch der bewusste „rote Faden“ erkennen, und nichts Anderes können, so glaube ich, solche Zusammenstellungen von Charaktereigenschaften sein.
Wie bei Storm zu bemerken ist, ist bei ihm das Körperbewusstsein in Form von „Ertüchtigung“ bzw. Militarismus ( im Gegenteil er verabscheut ihn ) nicht zu erkennen.
Sehr wohl aber ein ausgeprägtes Nationalbewusstsein , für das er sich in seinen Gedichten und Werken einsetzt. Dies kommt auch durch die Äußerung am Beginn des deutsch-französischen Kriegs „Deutschen Herd und Deutsche Gesinnung verteidigen zu müssen“ zum Ausdruck.
Nach dem Tode seiner ersten Frau Constanze zeigt sich aber seine Gefühlsstärke, Selbstbeherrschung , Entschlusskraft und fester Wille ,da er trotz, des für ihn schweren Schlages nicht aufgeben will , wie er in einem Brief an Mörike betont. Man kann das sicherlich in den Punkten „natürliches Sein des Mannes/ körperlich-moralisch“ unter
Selbstbeherrschung, fester Wille, aktiv sein einordnen . Diese Eigenschaften treten zwar erst bei der Beschreibung seines Verhaltens in einem für ihn schwierigen Zeitpunkt zu Tage,
werden aber durch die spätere Charakterisierung seines Freundes Tönnies bestätigt, der ihn in anderen Zusammenhängen beschreibt.
Mit dem Chauvinismus bei der Aussage „Deutschen Herd und Deutsche Gesinnung verteidigen zu müssen“ verbunden, ist die Unterdrückung der Frau wie es dem „hegemonialen Männlichkeitsprinzip“ entspricht .Er äußerst sich dazu so : Ich sehe als guter Deutscher die wirtschaftliche Tüchtigkeit, und zwar im hausbackensten Sinn , als das Fundament der weiblichen Bildung an; geist- und kunstreich darf mir eine Frau nur sein, wenn mir, sowie ich ihre Schwelle betrete, überall der Geist der Ordnung und der Sauberkeit entgegenatmet.
Außer bei diesen, die Frau im Allgemeinen betreffenden Aussagen, macht sich sein „Hegemonieanspruch“ auch bei seiner ersten Frau Constance bemerkbar, als er versucht ihr Bildung und Manieren beizubringen, bzw. bei seiner zweiten Frau Dorothea die seine Kinder als „unsere Kinder“ bezeichnen sollte, die Kinder aber nicht „Mutter“ zu ihr sagen durften
(angeblich würde es ihm wie eine Beraubung der Toten vorkommen).Diese Vorgangsweise
entsteht ohne Berücksichtigung der Wünsche der Frauen.
Zusammenfassend kann man sagen ,dass Theodor Storm absolut in das Schema des Mannes im 19. Jhdt. passt. Bei den unter „männliche Attribute“ angeführten Eigenschaften findet man
bei Storm sicherlich : Kultur, Politik, Öffentlichkeit, energisches Auftreten, Freiheit, Individualität. Die unter „natürliches Sein des Mannes / körperlich- moralisch“ angeführten
Eigenschaften : Selbstständigkeit, Entschlusskraft, Selbstbeherrschung ,fester
Wille, Urteilskraft ,Verstand, Mut, lebhaftes Temperament, Urquell des Lebens (wenn darunter die Zeugung von acht Kindern zu verstehen ist) sind sicherlich auf den Charakter Storms anzuwenden. Ich bin nicht sicher ob man seine Verliebtheit in die 10-jährige Berta und seine parallel dazu erfolgte und sofort wieder gelöste Verlobung mit Emma Kühl wirklich als „ungezügelte Sexualität“ eher aber noch als „Hitze der Leidenschaft“ bei den von Honegger angeführten Punkt der „Übersteigerung“ einreihen kann.
Theodor Storm war also meiner Ansicht nach ein Mann ,der sehr viele typische Charaktereigenschaften des „Mannes im 19. Jhdt.“ aufweist.


Literatur:
Theodor Storm mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten; Dargestellt von Hartmut Vincon, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH (13. Auflage) Mai 1994