ZUSAMMENFASSUNGEN ZU DEN THEORIETEXTEN


Kühne, Thomas: Männergeschichte als Geschlechtergeschichte. In: Kühne, 1996, S. 7-30.

 

 Männlichkeit als Problem

Frauengeschichte, Männergeschichte

 

Männlichkeit im Wandel der Moderne

- Männlichkeit als Kategorie der Relationen

- Männlichkeit und Herrschaft

- Männlichkeit, Klasse, sozialer Wandel

- Krisen der Männlichkeit

- Militarisierte Männlichkeit

- Gebrochene und rivalisierende Männlichkeiten

Männergeschichte: Verallgemeinerungen

 

Männlichkeit als Problem

Kühne setzt sich - wie etwa Schmale oder Dinges auch - mit der biologischen und kulturell "gemachten" Männlichkeit auseinander: "Längst ist klar, (...) dass Männern keine bestimmte Identität und keine bestimmte Rolle bloß durch die Biologie oder durch einen biologisch determinierten psychischen Prozess aufgebürdet ist. [Absatz im Original] Kulturelle Vielfalt und historischer Wandel zeigen, dass Männlichkeit und Weiblichkeit nicht ein für allemal feststehen, sondern "gemacht" werden. Geschlecht, Weiblichkeit und Männlichkeit sind gesellschaftliche Konstrukte, (...) Neuere Studien haben sogar gezeigt, in welchem Maße, ,nicht nur die soziokulturellen, politischen und ökonomischen Attribute des Geschlechts (gender), sondern auch das, was bislang als biologisches Substrat, als Körpergeschlecht (sex) angesehen wurde', konstruiert wurde und wird." (S. 8 sowie Frevert, 1995, S. 13 f., zit. n. Kühne, 1996, Fußn. 8, S. 24). Kühne setzt fort: "Der weibliche Körper etwa wurde bis ins 18. Jahrhundert hinein als gleichsam unvollkommene oder schlechtere Ausgabe des männlichen interpretiert. (...) Erst mit Beginn der Moderne (...) trat an die Stelle des ,Ein-Geschlecht-Modells' das heute geläufige ,Zwei-Geschlechter-Modell'.

 

Frauengeschichte, Männergeschichte

Folgende Entwicklung stellt Kühne fest: "Mit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert konstituierte sich dieses Verständnis von männlich als allgemein-menschlich (und vom Weiblichen als Geschlechtlich-Besonderen). (...) Die Beharrungskraft und Wirkungsmacht dieser Vorstellung lässt sich an der geschlechtsneutralen Deklarierung geschlechtshalbierter Wahrheiten und Blickrichtungen in allen wissenschaftlichen Disziplinen, nicht nur der historischen, ablesen." (S. 9). Zur scheinbaren "Verteidigung der Männer" [was von einigen Wissenschaftlern als eine etwas problematische Position angesehen wird] liefert Kühne das Argument, dass nicht nur Frauen, sondern auch Männer durch das System des "Patriarchats" unterdrückt wurden. Gleichermaßen kritisiert er die Schwarz-Weiß-Kategorisierung in männliche "Täter" und weibliche "Opfer" (S. 9 f.).

Die konkrete Forschung würde ihre Anfänge (in den USA und Großbritannien) nicht nur der Frauenbewegung, sondern ebenso der Homosexuellen- und der Männerbewegung verdanken, wobei letztere versuchte, "das enge Korsett der heute als selbstverständlich und natürlich geltenden Männlichkeitsideale von Härte, Selbstbeherrschung abzuschütteln, indem sie deren historische Relativität sichtbar machte." (S. 10).

 

Männlichkeit im Wandel der Moderne

Männlichkeit als Kategorie der Relationen

Laut Kühne trete Männergeschichte nicht als Konkurrenzunternehmen zur Frauengeschichte, sondern als deren notwenige Ergänzung auf. Das Verständnis von Geschlecht als kulturellem Konstrukt verlange immer eine doppelte Perspektive auf Männlichkeit und Weiblichkeit. Geschlecht sei demnach eine Kategorie der Relationen. Kühne weist in Berufung auf Karin Hausen auf den polaren Charakter des "modernen", Ende des 18. Jahrhunderts gestifteten Geschlechtersystems hin. Der Mann sei dabei für den öffentlichen, die Frau für den häuslichen Bereich von der Natur prädestiniert. Beim Mann werden als Wesensmerkmale Aktivität, Rationalität, Willenskraft, Tapferkeit, Zielstrebigkeit, Selbstständigkeit, Gewaltbereitschaft, Kompromisslosigkeit und Verstand, bei der Frau Passivität, Emotionalität, Schwäche, Bescheidenheit, Wankelmut, Abhängigkeit, Güte, Nachgiebigkeit und Gefühl hervorgehoben. (S. 11 sowie Hausen, 1976, S. 363-393, zit. n. Kühne, 1996, Fußnote 18, S. 26). Diese dichotomische Anordnung der "Geschlechtscharaktere" ist für Kühne ein ideologisches Konstrukt, ein Ordnungsprogramm.

Männlichkeit und Herrschaft

Kühne erläutert die politische Komponente des Geschlechts: "Geschlecht ist nicht nur eine kulturelle, sondern immer auch eine politische Kategorie. Geschlechtersysteme sind Systeme strukturierter Ungleichheiten, (...) Ebenso wie die Kategorien Klasse, Schicht, Rasse (race), in gewisser Hinsicht auch Konfession oder Generation, hebt Geschlecht auf den Aspekt der Herrschaft und Unterdrückung in sozialen Beziehungen ab. Die Herrschaft der Starken über die Schwachen und der Schutz der Schwachen durch die Starken ist ein Legitimationsmuster autoritärer politischer Systeme, dessen geschlechtliche Kodierung leicht zu erkennen ist. Aber auch die demokratischen Regierungssysteme des 20. Jahrhunderts haben ihre politischen Ideologien und ihre Politik auf dem Geschlechtersystem aufgebaut." (S. 13).

Männlichkeit, Klasse, sozialer Wandel

Kühne stellt im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Industrialisierung auf Männlichkeitskonstruktionen fest, dass handwerkliche und technische Fertigkeiten als Ausweis von Männlichkeit und als "Material männlicher Macht" (Cockburn, zit. n. Kühne, 1996, S. 15 und Fußnote 27, S. 27) eine Rolle spielten, was wir im übrigen auch bei Connell (S. 190-195) finden.

 Krisen der Männlichkeit

Als Krisen der Männlichkeit bezeichnet Kühne "(...) Phasen (...), in denen überkommene männliche Leitbilder und Werte in Frage gestellt werden, in denen das, was als männlich gilt, unsicher und unbestimmt wird." (S. 16 sowie Badinter, 1992, S. 23-36, zit. n. Kühne, 1996, Fußn. 30, S. 28). Ein Beispiel dafür wäre der Kult des "outdoorsman", der nach der Jahrhundertwende in den USA als Antwort auf die Anfänge der Emanzipationsbewegung Platz griff.

Militarisierte Männlichkeit

Dieses Thema erfährt im Zuge des dieser Website zugrunde liegende Seminars eine gründliche Ausarbeitung durch einen Kollegen und wird hier nicht weiter ausgeführt.

 

Gebrochene und rivalisierende Männlichkeiten

Kühne greift den Gegensatz von Heterosexualität und Homosexualität nur als ein "(...) signifikantes Beispiel für jene Rivalität verschiedener Männlichkeiten" heraus. "Mit der bloßen Feststellung, dass Männlichkeit nicht nur historisch, sondern auch zeitgleich in einer Gesellschaft oder sogar einer Person verschieden ausgeformt sein kann, ist es aber nicht getan. Es muss immer auch danach gefragt werden, in welcher Beziehung diese Männlichkeiten zueinander stehen, welche Hierarchien und Hegemonien wirksam sind, welche Koalitionen und Konflikte zwischen ihnen bestehen, und wie sich dieses komplexe Beziehungsgefüge verändert (oder warum es sich nicht verändert)." (S. 19 f.)

 

Männergeschichte: Verallgemeinerungen

Kühne leitet aus dem "bisher Gesagten" drei wesentliche Beobachtungen ab:

  1. die Historizität
  2. die Komplexität und
  3. die Fragilität

des Gegenstandes von Männergeschichte, wobei Kühne diese Punkte genauer ausführt, als das hier geschehen soll (S. 22 f.). Er gelangt dann zu drei Ebenen, welche die Männergeschichte gleichzeitig bearbeiten sollte:

  1. die kulturellen Leitbilder, die Diskurse
  2. die soziale Praxis, die praktische Reproduktion des Geschlechtersystems, und
  3. die subjektive Wahrnehmung, Erfahrung und Identität (S. 23).